Sind Patente auf Kochrezepte sinnvoll?

Original von Lars Hauschultz - übersetzt und ans Deutsche angepasst von div. Autoren

Ein Stück Software ist im Prinzip nichts anderes als ein Rezept für einen Computer, wie irgendetwas auszuführen ist. Daher werden Softwarepatente in etwa die gleichen Auswirkungen haben wie Patente auf Kochrezepte, und für viele Politiker wäre es vielleicht einfacher, die Konsequenzen aus der Zulassung von Softwarepatenten zu verstehen, wenn sie ans Essen denken würden.

Das Grundprinzip hinter einem Patent ist, dass der Patentinhaber entscheidet, wer die patentierte Erfindung nutzen darf. Vereinfacht dargestellt, darf jedoch jeder die Erfindung nutzen, solange er kein Geld damit verdient. Dies ist sehr sinnvoll, denn praktisch jeder kocht für den Eigenbedarf, und es wäre schier hoffnungslos, die Verwendung von Rezepten in Otto Normalbürgers Privatküche zu kontrollieren zu wollen.

Das Hauptziel eines Patentes ist es daher, gegen „Piraten“ zu schützen, d.h. gegen Leute, die ein Geschäft mit der fremden Erfindung machen, ohne dafür eine Lizenz vom Patentinhaber erworben zu haben.

Es gibt viele Wege, Geld aus einem Kochrezept zu machen, und es gibt auch viele Wege, ein Kochrezept zu schützen.

Zum Beispiel könnte man „Piraten“ verbieten, patentierte Rezepte zu veröffentlichen. Auf den ersten Blick wäre dies ein guter Schutz, aber Interessierte könnten ja selbst in der Patentschrift nachlesen, wie man das Gericht zubereitet.

Wir könnten natärlich geheime Patente zulassen, aber wie sollte eine ehrliche Kochbuchautorin dann entscheiden können, welche Rezepte in das Buch dürfen? Und falls „Piraten“ z.B. nur Portugiesisch verstünden, könnten wir das übersetzen in diese Sprache verbieten; aber dieser Art von Schutz löst sich in nichts auf, wenn die „Piraten“ unsere Sprache erlernen.

Es macht also wenig Sinn, die Veröffentlichung von patentierten Rezepten zu verbieten.

Vielleicht würde es aber besser funktionieren, das geschäftliche Nutzen der Rezepte zu verbieten? Dann dürfte man privat immer noch Sauce Hollandaise kochen, aber „Piraten“ wäre es verboten, diese Sauce in ihren Restaurants herzustellen. Zugleich wäre es immer noch erlaubt, sowohl die Zutaten als auch das Kochrezept zu verkaufen.

Für das Rezept selbst würde aber das Urheberrecht greifen, und es wäre daher immer noch nicht erlaubt, einfach eine Fotokopie vom Kochbuch des Erfinders zu veräußern.

Binnen kurzer Zeit würde jeder Koch (einschl. möchte-gern-Köche zuhause) die guten Rezepte kennen, aber kaum einer würde das Rezept aus dem originalen Kochbuch gelesen haben. Es wäre also eher eine Ausnahme, wenn ein Koch wissen würde, dass ein gegebenes Rezept patentiert ist, und Leute, die professionell kochen, könnten sich daher leicht unwissentlich zu „Piraten“ machen. Sogar ein Rezept, das sich ein Koch selbst ausdenkt, kann bereits von jemand anderem patentiert sein!

Bevor man bei der Arbeit mit dem Kochen anfängt, sollte man daher sorgfältig prüfen, ob das zu verwendende Rezept, oder Teile hiervon, durch ein Patent geschützt ist. Dabei darf man nicht auf die Kochbücher vertrauen, denn diese wären vermutlich sehr bald alle mit einem Vorwort geschmückt, dass der Autor jede Verantwortung in Bezug auf Patentrechte ablehne, und dass jedes Nutzen der Rezepte auf eigenes Risiko geschehe.

Professionelle Köche würden große Schwierigkeiten bekommen, sich weiterzuentwickeln und neue Rezepte auszuprobieren.

Trotz dieser Einschränkungen wäre der Schutz nicht ausreichenden, wenn nur das Nutzen der patentierten Rezepte verboten wäre: Erstens wäre oft der Nachweis schwierig, dass ein „Pirat“ tatsächlich unser Rezept verwendet hat, denn wir können ja nicht jedem Koch über die Schulter schauen. Zweitens könnte der Koch vorgefertigte Lebensmittel von einem anderen gekauft haben, so dass keiner der beiden das ganze Rezept genutzt hätte und somit auch keiner der beiden ein „Pirat“ wäre.

Wir sollten daher lieber ein Verbot einführen gegen das Verkaufen von solchen Gerichten, die nach einem patentierten Rezept hergestellt wurden.

Doch wieder öffnet sich eine Hintertür für „Piraten“: Falls sie einen alternativen Weg finden würden, die patentierten Gerichte zu kochen, wäre unser Patent nutzlos.

Wir müssen daher das Verbot ausweiten auf alle Gerichte, die dem Gericht ähnlich sind, das nach unserem patentierten Rezept gekocht wird.

Jetzt fängt der Spass aber erst richtig an! Falls wir z.B. ein neues Rezept für Zwiebelsuppe ausarbeiten und patentieren lassen würden, und falls die nach diesem Rezept hergestellte Suppe nicht von der üblichen Zwiebelsuppe unterschieden werden könnte, dann wäre jeder, der ohne eine Lizenz von uns Zwiebelsuppe kocht, automatisch ein „Pirat“. Wir würden reich werden!

Ein kleines Problem bestünde aber noch. Was wäre, wenn es zwei (oder mehr) patentierte Rezepte für das gleiche Gericht gäbe? Wer hätte dann die Rechte?

Aber davon abgesehen, hätten wir jetzt endlich einen guten Schutz unseres patentierten Rezeptes.

 

Leider gäbe es keine Restaurants mehr, wo wir die Errungenschaft feiern könnten. Die wären alle pleite, nachdem die Köche mehr und mehr Zeit auf Patentrecherchen und Gerichtsverfahren aufgewendet hätten.

Eine Coke und einen Burger würden wir schon kriegen können, denn McDonalds und die anderen großen Ketten wüssten schon, wie sie Überleben: Sie müssten nur untereinander Verträge abschließen, sich nicht gegenseitig zu verklagen, und könnten dann ihre Anwälte gegen die kleinere Konkurrenz einsetzen.

 

Wie Sie, lieber Leser/Leserin, hoffentlich einsehen, sind Patente auf Kochrezepte ziemlich absurd, aber zum Glück ist dies auch nicht das Ziel der derzeitigen Anstrengungen der EU. Da geht es vielmehr darum, Patente auf Software zuzulassen.

Und glücklicherweise gibt es einen ganz klaren Unterschied zwischen Kochrezepte und Software: Letztere können im Gegensatz zu den Ersten von Maschinen gelesen werden.

Jetzt müssen wir nur noch hoffen, dass niemand eine Maschine erfindet, die ein Kochbuch liest und nach diesem Rezept eine Mahlzeit zubereitet!

Persönlich glaube ich nicht, dass es lange dauern wird, weswegen ich Ihnen empfehlen möchte, ein Glas Wein und einen Steak im Restaurant zu genießen, während es noch möglich ist. Ich selbst verdiene mein Geld durch das Erstellen von Software in einem kleinen Betrieb und werde daher Restaurants wohl nicht ganz so lange genießen können wie Sie.

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PS: Da der Autor dieser Satire derzeit den Inhalt überarbeitet, werde ich nach Vorliegen der Änderungen diesen Text ebenfalls ergänzen!